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Wer den Einkauf verändern möchte, muss seine Kollegen aus den Fachabteilungen begeistern. C-Artikel sind Prozesskostentreiber und hinter der vermeintlichen Sachlichkeit versteckt sich ein hoher Grad an Emotionalität. Welchen Einfluss hat dies auf die Entwicklung der eigenen Beschaffung und wie können die Mitarbeiter hierbei eingebunden werden?

Für uns als Lieferant steht ein wichtiger Termin bei einem der führenden Industrieunternehmen an. Nach dem Eintreffen im Besprechungsraum und die Versorgung mit Kaffee kommt der Einkaufsleiter direkt auf den Punkt: „Wir möchten von Ihnen weitere Einsparpotentiale aufgezeigt bekommen!“ Um eine „preisliche“ Reduktion zu ermöglichen, kommen wir auf die drei Markenstrategie zu sprechen. Dieser Ansatz besteht aus drei Marken in zwei verschiedenen Qualitätsstufen. In der höchsten Stufe sind das Markenprodukt und die Qualitäts-Eigenmarke positioniert. Der preisliche Unterschied wird bei gleicher Qualität im zweistelligen Prozentbereich angegeben. In der zweiten Stufe ist die zweite Eigenmarkte positioniert, die als Handelsmarke den Preis im Fokus hat.

Das Modell kommt an und wir vereinbaren einen Test zwischen Markenprodukt und Qualitäts-Eigenmarke. Die Wahl fällt auf das Handwerkzeug: Schraubenschlüssel. Für den Test werden die beiden Marken in die Fachabteilung gegeben. Das Ergebnis ist überraschend, das Markenprodukt gewinnt den Test deutlich. Beide Schraubenschlüssel sind mit dem gleichen Material und gleicher Geometrie gefertigt. Wir waren erstaunt, denn aus sachlicher Sicht ist der drastische „Qualitätsunterschied“ nicht gegeben.

Sachlichkeit trifft Emotionalität

Diese Begebenheit spielte sich bei einem wichtigen Key-Account-Kunden aus der Metropolregion Nürnberg ab. Mit „wir“ spreche ich von meinem ehemaligen Arbeitgeber dem führenden Werkzeughändler in Europa. Die Qualitäts-Eigenmarke wurde 1973 eingeführt, um eine Alternative zu Markenprodukten zu erzeugen. Dabei wird der Ansatz verfolgt, durch höhere Mengen und die Konzentration auf Renner-Artikel, einen Preisvorteil anbieten zu können und dabei die hohe Qualität zu halten. Der Schraubenschlüssel, um den es in dieser Geschichte geht ist übrigens auch in meinem Logo zu finden.

Wir sprechen hier von C-Arikeln die auch oftmals C-Teile genannt werden. Das „C“ deutet erstmal auf eine weniger wichtige Kategorie hin. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht können Materialen und Dienstleistungen nach der ABC-Analyse bewertet werden. Die Bewertung erfolgt nach dem gesamten Einkaufswert und der Gesamtmenge. Im Regelfall ergibt diese Auswertung einen Anteil der A-Artikel von ca. 60-80 % vom Einkaufswert und an der Gesamtmenge der zu beschaffenden Artikel, von ca. 15-25 %. Bei den B-Artikeln kommt man auf einen Anteil am Einkaufswert von 10-25 % bei einem Mengenanteil von 30-40 %. C-Teile sind demnach die Artikel die schlussendlich 5-15 % wert vom Wert ausmachen, jedoch 40-70 % der Gesamtmenge. Das beschriebene Verhältnis verdeutlicht die folgende Grafik.

Anlayse von ABC-Teilen
Die ABC Analyse im Einkauf

C-Artikel ist die Materialgruppe im Unternehmen, die die höchsten Prozesskosten aufweist und somit viele Arbeitsstunden der Mitarbeiter verbraucht. Die vermeintlich einfachen Artikel wie Schraubenschlüssel, Notizblöcke, Kugelschreiber oder Sicherheitsschuhe sind emotional aufgeladen. Der Mitarbeiter (Bedarfsträger), der die Artikel einsetzt ist der wahre Entscheider im Unternehmen, weil er tagtäglich mit diesen Produkten arbeitet. Nur wenn der Einkauf es schafft diese „internen Kunden“ zu überzeugen und mitzunehmen kann erfolgreiches C-Teile-Management umgesetzt werden.

Hohe Prozesskosten bei C-Artikeln: Mythos oder Wahrheit?

„Prozesskosten sind eine Milchmädchenrechnung“ – wurde mir schon mal vorgeworfen. Unter Prozesskosten verstehe ich die Arbeitszeit von Mitarbeitern, die sie für eine Tätigkeit z.B. den Bestellvorgang verwenden. Ein Bestellvorgang beginnt bei dem Bedarf des Mitarbeiters und endet im besten Fall mit der erfolgreichen Verbuchung in der Buchhaltung. Der Studie von Mercateo und HTWK Leipzig (Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur) zufolge liegen diese zwischen 67€ und 116€ pro Bestellung. Blumenbecker, ein Industriedienstleisters gibt Prozesskosten mit 86€ an. Die folgende Grafik verdeutlicht die Problematik in der Kennzahl „Anteil d. Prozesskosten“. Bei mehreren hunderten oder tausenden Bestellungen fallen diese Kosten ins Gewicht. Blumenbecker bezeichnet C-Artikel als C-Teil.

Vergleich A-Teile C-Teile
Prozesskostenrechnung laut Blumenbecker.com

Unabhängig davon, ob die Prozesskosten nun bei 115€, 86€ oder 50€ liegen, zeigt dies, dass Mitarbeiter im Unternehmen viel Zeit in die Bestellung von „geringwertigen“ Materialen stecken. In dieser Zeit erfolgt keine Wertschöpfung. Somit ist dies verschenktes Potential. Mein persönlicher Fokus ist es Unternehmen und Mitarbeiter in wertschöpfende Tätigkeiten zu bringen. Nach der oben aufgeführten Studie sind hohe Prozesskosten die Realität bei vielen Mittelständischen Unternehmen. Doch wie lassen sich diese senken?

Warum der Bedarfsträger der wahre Entscheider ist!

Der sogenannte Bedarfsträger (Mitarbeiter) ist bei genauer Betrachtung der wahre Entscheider. Um Prozesskosten zu senken, ist sollte er aktiv in den Einkauf mit eingebunden werden. Daher gilt es sich die Faktoren anzusehen, die dazu führen, dass definierte Sortimente, Lieferanten und Prozess akzeptiert werden. Die eingangs beschriebene Situation zeigt, dass bei C-Artikeln regelmäßig Sachlichkeit auf Emotionalität prallt.

Nun könnte der Einwand erfolgen, dass der Bedarfsträger nur definierte Artikel bestellen darf und daher die Emotionalität keinen Einfluss hat. Diese Aussage kann mit der Maverick Buying Quote überprüft werden. Als Maverick Buying wird das unkontrollierte Einkaufen vorbei am vorgegebenen Beschaffungsprozess durch den Mitarbeiter bezeichnet. Der Begriff Maverick leitet sich vom Rinderzüchters Samuel A. Maverick (1803 – 1870) ab, der seine Rinder, anders als damals üblich, nicht brandmarkte. Die Ermittelte Maverick Buying Quote in der Studie von Mercateo und HTWK Leipzig liegt zwischen 20-31%. Das bedeutet, dass am Ende der Mitarbeiter entscheidet, wo der Bedarf gedeckt wird. Die Einhaltung des Beschaffungsprozesses ist somit nicht immer gegeben. Es gibt in vielen Unternehmen Möglichkeiten vorbei am Einkauf Artikel zu bestellen.

Nach Absprache mit dem Vorgesetzten kann der Bedarf auch über die Reisekostenabrechnung eingereicht werden. Oder ein guter Kontakt in der Finanzbuchhaltung bezahlt die Rechnung ohne auf die Einhaltung des Beschaffungsprozesses zu pochen. Daher ist es wichtig Kommunikation mit Fachabteilungen und Bedarfsträgern zu pflegen. Wenn die Bedürfnisse transparent sind, können auch erfolgreiche Einkaufsprozesse entwickelt werden. Gleiches stellt auch Alham Schmidt, Account Manager von Baseware fest: “Fehlende bzw. mangelhafte Kommunikation ist wohl einer der Hauptauslöser für Probleme (nicht nur) im beruflichen Umfeld. Wer von uns hat das nicht schon erlebt? Es ist also unabdingbar, dass der Einkauf mit den Fachabteilungen spricht, sich über ihre Bedürfnisse informiert, zur Auswahl der Lieferanten austauscht und eigene Prozesse und Notwendigkeiten transparent macht.“

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Der zweite Test

Der Einkaufsleiter kann die Argumente von unserer Seite nachvollziehen und unterstützt einen zweiten Test. In diesem Fall werden die Schraubenschlüssel mit abgeschliffenen Logos inkl. Identifikationsnummer an die Fachabteilung ausgegeben. Nach dem Testzeitraum verwundert uns das Ergebnis erneut. Die Qualitäts-Eigenmarke schneidet etwas besser ab als das Markenprodukt. Somit ist der Beweis für die Eigenmarke geliefert. Auf diesem Ergebnis erbarbeiten wir mit dem Einkauf Ansätze um die Qualitäts-Eigenmarke zu fördern. Zum Beispiel wird diese als Alternativprodukt in den elektronischen Katalog eingebunden um die Aufmerksamkeit zu erhöhen. Zudem wird vom strategischen Einkauf die Empfehlung ausgesprochen, dass sich die relevanten Fachabteilungen auf die Qualitäts-Eigenmarke konzentrieren sollen.

Mein Fazit

Die skizzierte Begebenheit zeigt, dass C-Artikel eine hohe emotionale Komponente aufweisen. Fachabteilungen haben oftmals ein höheres Fachwissen als der Einkäufer, der meist viele Warengruppen koordiniert und beschafft. Deshalb wird es immer wichtiger, dass Einkäufer mit ihren „internen Kunden“ sprechen. In der Beschaffung geht es darum, schnell und einfach an das richtige Produkt zu kommen. Dass Mitarbeiter an Usability von Anbietern wie z.B. Amazon und Co. im privaten Leben gewöhnt sind, erhöht die Hürde zusätzlich. Daher hängt aus meiner Sicht der Erfolg einer effizienten C-Artikel Beschaffung an der Fähigkeit des Einkaufs, die Fachabteilungen abzuholen. Prozesskosten und die Maverick-Buying-Quote können gesenkt werden, wenn der Mitarbeiter einfach und schnell an das gewünschte Produkt kommt.

Mit der Canvas die Potentiale heben und Maverick Buying reduzieren!

In Zusammenarbeit mit Herrn Thomas Auer aus dem Konzerneinkauf von UVEX ist eine Canvas entstanden. Canvas heißt übersetzt Leinwand und soll als Instrument der nächsten Schritte dienen. Dieses Werkzeug dient zum Ausdrucken und kann mit Post-it gefüllt werden.

Die Canvas beinhaltet folgende sechs Schritte:

  1. Interne Kunde
  2. Verstehen
  3. Erkenntnisse zusammenfassen
  4. Analyse Rahmenbedingungen
  5. Quick Wins identifizieren
  6. Aktive Schritte

Der Einstieg dreht sich um die Frage: „Wer sind meine internen Kunden bzw. Bedarfsträger?“. In diesem ersten Schritt geht es darum, die relevanten Besteller in deinem Unternehmen zu identifizieren. Im zweiten Schritt „Verstehen“ geht es darum wie du die Probleme der internen Kunden z.B. mit Hilfe von Feedbackgesprächen analysieren kannst. Hierzu kann auch der Mittagstisch und die lockere Atmosphäre zu eigen gemacht werden. Im Hinterkopf kannst du den Gedanken haben: „Wie positioniere ich unseren Einkauf aus Problemlöser?“.

Aus den geführten Gesprächen gilt es Erkenntnisse zusammenzufassen und den größten Handlungsbedarf zu bestimmen. Wichtig in diesem Schritt ist es deine internen Kunden auf dem Laufenden zu halten. Kommunikation ist entscheidend für das interne Klima. Auf Basis des größten Handlungsbedarfs analysiere die Systeme, Prozess und Lieferanten die dir aktuell zur Verfügung stehen. Nachdem du die Bedürfnisse deiner internen Kunden und die entsprechenden Rahmenbedingungen kennst geht es an Schritt 5. Definiere welche Quick Wins du heben kannst und lege nun die aktiven Schritte fest. Ein paar Ideen zu aktiven Schritten findest du unter Punkt 6.

Viel Erfolg beim Windmühlen bauen und der Optimierung deines Einkaufes!

Belohne meine Mühe mit deiner Bewertung!
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Peter Prütting ist Teamplayer, MTBiker und E-Business Experte. Seit 10 Jahren verhilft er Lieferanten zu mehr Online-Umsatz und optimierten B2B-Prozessen. Weggefährten beschreiben ihn als kundenzentriert und fokussiert.

Quellen