Welche Gedanken kommen dir, wenn du an dein lokales Stadtwerk denkst? An Begriffe wie modern, innovativ und mutig hatte ich im ersten Moment nicht im Sinn. Wie dies mit einem B2B Marktplatz und den Stadtwerken Neumünster zusammenhängt, erfährst du in diesem Beitrag. Frank Wede, Partnermanager aus dem Einkauf, gibt uns Einblicke.
ROKX ist der Name des B2B Marktplatztes der Stadtwerke Neumünster (SWN). Im folgenden Text kürze ich dies mit SWN ab. ROKX steht für regional, online und kaufen. Diese neuartige Idee entstand im Einkauf der Stadtwerke Neumünster. Dort ist auch Frank Wede Zuhause und kümmert sich als Partnermanager mit seinem Team sowohl um Lieferanten, Kunden wie auch dem Verkauf der Lösung. Im Detail geben die folgenden Abschnitte Einblicke in diese vier Punkte:
- Die Entstehungsgeschichte von ROKX
- Die ersten Schritte des neuen Produktes
- Das Geschäftsmodell
- Warum der B2B Marktplatz ein Erfolg wird!
Entstehungsgeschichte von ROKX
Ich bin immer noch fasziniert, dass ein Stadtwerk einen B2B Marktplatz auf den Markt bringt. Die Entstehungsgeschichte hängt eng mit dem Werdegang von Frank zusammen. Er startet bei den Stadtwerken 1993. Früh übernimmt er große Projekte, wie z.B. den Umbau des Schwimmbades und die damit verbundene Umsetzung von Ausschreibungen im Wert von 31 Mio. DM (heute ca. 15,8 Mio. €). Das nächste große Projekt war die SAP-Einführung im Einkauf. Nach erfolgreicher Implementierung hieß es dann: „Herr Wede wir brauchen Sie im Vertrieb.“ So wurde Frank zunächst für viele Jahre Privatkunden-Vertriebsleiter, dann Gesamt-Vertriebsleiter und hatte die Personalführung von bis zu 80 Mitarbeitern inne. Seit Februar 2020 ist er nun wieder zurück im Einkauf.
Durch den neuen Geschäftsführer Michael Böddeker der SWN sind neue Ideen nicht nur erlaubt, sondern werden auch gefordert. Daher gibt es intern regelmäßige Termine in denen Kollegen und Frank kreativ werden. Frank wirft hier ein: „Viele Stadtwerke konzentrieren sich ausschließlich auf moderne Vertriebsthemen, aber nicht auf die Einkaufsseite. Der Einkauf hat aber einen entscheidenden Anteil an der Wertschöpfungskette.“ Bei SWN wurde so die Idee entwickelt, die bestehenden Rahmenverträge mit Lieferanten zu erweitern und dies den B2B-Kunden als Partnereinkauf anzubieten. Denn die SWN hat bereits eine breite Kundenbasis die Versorgungsleistungen wie Energie, Breitband-Kommunikation oder Wasser beziehen. Dies war die Geburtsstunde des regionalen Online Marktplatzes.
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Die ersten Schritte des neuen Produktes
Bei einem Online Marktplatz kommt mir sofort Amazon in den Sinn. Laut Frank war schnell klar, dass die SWN sich über Regionalität abgrenzen möchten. Somit war dar Fokus schnell gesetzt und es konnte an den weiteren Bausteinen gearbeitet werden.
Um die Frage der technischen Umsetzung zu klären wurde die bereits eingesetzte Lösung unter die Lupe genommen. Die SWN setzt im Einkauf auf die E-Procurement Lösung von Onventis. Ein E-Procurement-System hilft dem Einkäufer bei seiner Tätigkeit von Lieferantenauswahl, -bewertung bis zu Prozessoptimierungen. Die Lösung von Onventis hat nicht nur „Buy-Side“ Ansätze im Angebot sondern auch bestehende Möglichkeiten für den Einsatz als „Sell-Side-Lösung“. Der „Buy-Side-Ansatz“ kennzeichnet sich dadurch, dass die Rahmenbedingungen vom Kunden gesetzt werden und dieser dort seine Lieferanten integriert. Bei „Sell-Side-Lösungen“ wird das E-Procurement-System weiteren Kunden flexibel und individuell anpassbar bereitgestellt. Auch das jeweilige Look-and-Feel des Kunden lässt sich mit einbinden. Dadurch das Onventis beide Komponenten anbieten kann war die Grundlage für die Marktplatzidee schnell gelegt.
Die weitaus wichtigere Komponente als die technische Machbarkeit ist das Kunden- bzw. Marktfeedback. Daher war es das Ziel, diese Idee eines regionalen Marktplatzes für Schleswig-Holstein schnell zu testen. Für den ersten „Test“ bekommt Frank kurzfristig die Chance auf dem internationalen Spring- und Dressurreiter in Neumünster, der VR Classics. In der Business Lounge findet der Ansatz bei Politik und Geschäftspartner sehr gute Resonanz. Danach geht es schnell, wie der folgende Zeitverlauf darstellt:
- 01. Februar: Frank Wede wechselt in den Einkauf
- 15. Februar: Erste erfolgreiche Vorstellung im Rahmen VR Classics
- Mitte März: Es fällt die Entscheidung für die Umsetzung mit Onventis
- April: Offizieller Projektstart – technische Einführung der Sell-Side
- Mitte Juli: Go Live von ROKX
Das Geschäftsmodell > E-Marktplatz
Die grundsätzliche Idee ist den Rahmenvertrag mit bestehenden Lieferanten auf alle Marktplatzteilnehmer zu erweitern. Dadurch profitieren kleine und Mittlere Unternehmen von vorverhandelten Konditionen durch die SWN. Der Lieferant kann dadurch ohne Kosten für die Kunden-Akquisition Neukunden gewinnen. Im Detail zeigen die Dimensionen Wer, Was, Wie und Wert wie das Geschäftsmodell angedacht ist:
Wer – Zielgruppe:
- Regionale Geschäftskunden der SWN
- Regionale Energieversorgungsunternehmen
- Lieferanten der SWN mit Rahmenverträge, die diesen auch für dritte nutzbar machen
Was – Nutzenversprechen:
- Regionale Wirtschaft stärken
- Prozesse optimieren bei Kunden und Reduzierung von Kosten (siehe Abbildung „Kostenoptimierung“)
- Kunden führen B2B Marktplatz als E-Procurement Lösung für viele Lieferanten ein
- Einfache Kundengewinnung als Lieferant durch Erweiterung des Rahmenvertrages für Marktplatzteilnehmer
Wie – Wertschöpfung:
- Die Einkaufskompetenz der SWN ermöglicht gute Rahmenbedingungen (wie z.B. Preis) und erzeugt eine professionelle Auswahl an Lieferanten
- Die eingesetzte „Buy-Side-Lösung“ von Onventis wird um „Sell-Side“ erweitert
- Frank Wede und Team kümmern sich als verkaufende Einkäufer um das Netzwerk
Wert – Ertragsmechanik:
- Über Lizenzkosten für den Systemzugang decken Kunden die Kosten für die technische Lizenzbereitstellung pro User
- Bündelung der Bedarfe reduzieren die Beschaffungskosten für alle Käufer
Wie das Geschäftsmodell des Online Markplatzes im Detail funktioniert und wie dadurch die Effizienz und Digitalisierungsgrad der Bestellprozesse gesteigert zeigt das folgende Video:
Warum der B2B Marktplatz ein Erfolg wird!
Frank bezeichnet seine Kunden als Partner. Partner drückt Augenhöhe und gemeinsame Werte aus. Durch den Einfluss SARS-CoV (Coronavirus) ist der Wert von regionalen Beziehungen nochmal deutlicher geworden. Bei einem Marktplatz ist es erforderlich Kunden wie auch Lieferanten zusammen zu bringen. Daher starten die meisten Unternehmungen mit anderen Geschäftsmodellen, die dann zum Marktplatz entwickelt werden sollen. Denn beim Start auf der grünen Wiese fragen potenzielle Kunden weshalb sie bestellen sollen und welche Lieferanten/Materialgruppen es gibt. Ist die Antwort: „Wir haben noch keine Lieferanten.“, dann ist es für die meisten Kunden wieder unattraktiv. Das gleiche gilt ebenso für die Lieferantenseite. Die SWN kann beide Marktseiten bieten. Eine breite Basis an Bestandskunden und bestehende Beziehungen zu Lieferanten steht für eine solide Startbasis.
➡️ Bei der Einführung eines Beschaffungssystems wie einem Online Markplatzes ist es wichtig, dass die Lieferanten von den Fachabteilungen akzeptiert werden. Eine Strategie für eine erfolgreiche Lieferanteneinführung findest du hier.
Fazit
Frank Wede ist der wahrscheinlich erste verkaufende Einkäufer Deutschlands. Durch ein offenes Mindset und einem neuen Geschäftsführer wurde es möglich neue Ideen zu treiben. Der Online Marktplatz ROKX ist nur eine der neuartigen Lösung im Portfolio der SWN. Das Beispiel und die Entstehungsgeschichte von ROKX zeigt, dass sich Mut und schnelles Testen auszahlt. Ich persönlich glaube daran, dass der Faktor „Regionalität“ und die bestehende Kundenbasis den B2B Marktplatz zum Erfolg führt.
Es lohnt sich somit immer mal wieder einen Blick nach Neumünster zu werfen!
Peter Prütting ist Teamplayer, MTBiker und E-Business Experte. Seit 10 Jahren verhilft er Lieferanten zu mehr Online-Umsatz und optimierten B2B-Prozessen. Weggefährten beschreiben ihn als kundenzentriert und fokussiert.